Willkür- und Vertretbarkeitskontrolle im Unionsrecht

Autor: Prof. Dr. Nicolas Raschauer

Nicht nur im nationalen Verfassungsrecht findet eine auf Willkür- und Vertretbarkeitsaspekte fokussierte Kontrolle staatlichen Verhaltens statt. Auch im Unionsrecht ist eine ausgeprägte Prüfung des Verhaltens der Legislative und der Vollziehung am Maßstab des Gleichheitssatzes nachweisbar. Der nachfolgende Beitrag zielt darauf ab, dieses Thema zu konturieren, um daraus Schlüsse für die Gesamtuntersuchung ziehen zu können.

I. Begriff, Entwicklung und Abgrenzungen

A. Allgemeines

Weder das EU-Primärrecht noch das Sekundärrecht enthalten ausdrückliche Regelungen über ein allgemeines „Willkürverbot“, wie es etwa Art 9 der Schweizer Bundesverfassung kennt.[1] Allerdings postulierte der EuGH in seiner Rsp bereits früh, dass das allgemeine Gleichbehandlungsgebot – und damit das allgemeine Willkürverbot – zu den „ungeschriebenen Grundprinzipen“ des (ehemaligen) Gemeinschaftsrechts (nunmehr: Unionsrechts) zählt.[2]

Der Gerichtshof leitete in seiner Rsp relativ früh, basierend auf den besonderen Diskriminierungsverboten der Verträge, einen allgemeinen Grundsatz der Gleichheit ab, der auch im damaligen Gemeinschaftsrecht seine Bedeutung habe.[3] Dafür spricht, dass auch die in Art 6 Abs 3 EUV genannten Rechtserkenntnisquellen (die EMRK und die gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten) funktionell vergleichbare Verbürgungen enthalten.[4]

Auch die Erläuterungen zur GRC der EU[5] verweisen auf die stRsp des EuGH und bezeichnen diese als wesentliche Erkenntnisquelle des allgemeinen Gleichheitssatzes. Dort wird auf die Entscheidungen des EuGH in den Rs EARL, Racke und Karlsson verwiesen.[6]

B. Entwicklung – systematische Verortung des Willkürverbots

Diese judikativ getriebene Entwicklung mündete schließlich im Jahr 2000 darin, dass die Verfasser der EU-GRC den allgemeinen Gleichheitssatz und das allgemeine Willkürverbot in Art 20 als „Jedermannsrecht“ aufnahmen.[7] Die Bestimmung lautet schlicht: „Alle Personen sind vor dem Gesetz gleich.“ In dieser Form trat die Bestimmung am 1. Dezember 2009 in Kraft.

Der Regelung kommt der Rang eines (justiziablen) Grundrechts, nicht aber bloß eines „Grundsatzes“ oder einer Zielbestimmung iSd Art 53 Abs 4 GRC zu.[8]

Das zeigt sich systematisch auch an der Regelungssystematik der GRC. Art 52 Abs 1 leg cit ist Maßstab für die Prüfung und Rechtfertigung von (Un-)Gleichbehandlungen durch Legislative und Vollziehung, die in den Anwendungsbereich des Art 20 GRC fallen.[9] Die Prüfung einer entsprechenden Maßnahme anhand der in Art 52 Abs 1 GRC grundgelegten „Schrankenstruktur[10] gleicht funktionell einer gestuften Verhältnismäßigkeitsprüfung, wie sie auch das BVerfG bzw der VfGH im Rahmen einer Beschwerdeprüfung am Maßstab des allgemeinen Gleichheitssatzes vornehmen.[11]

Seit Inkrafttreten der Lissabonner Verträge ist der allgemeine Gleichheitssatz bzw das allgemeine Willkürverbot in Art 20 GRC im Rang von Primärrecht normativ verbindlich (Art 6 Abs 1 EUV). Damit bindet das allgemeine Willkürverbot die Union und die Mitgliedstaaten (daher die Legislative, die Exekutive und die Judikative und die Vollziehung) bei der Anwendung (Auslegung, Durchführung, Vollziehung) des Unionsrechts (Art 51 Abs 1 GRC).[12] Daher ist Art 20 GRC unabhängig von den nationalen Gleichheitsbestimmungen (Art 7 B-VG, Art 3 Abs 1 dt GG) im Anwendungsbereich des Unionsrechts von den nationalen Organen und Stellen zu berücksichtigen.

C. Begriff

Die in der Rsp des EuGH verwendete Prägung des Begriffs „Willkür“ entspricht, abgesehen von textlichen Nuancierungen, weitgehend jenem Inhalt, den die nationalen Verfassungsgerichte (etwa das BVerfG oder der VfGH) in ihrer Rsp zu den nationalen Gleichheitsrechten (etwa Art 7 B-VG; Art 3 Abs 1 dt GG) herausgearbeitet haben.[13]

Willkür im objektiven Sinn liegt demnach vor, wenn für eine staatliche Entscheidung der Legislative, der Exekutive oder Judikative ein sachlicher Grund fehlt.[14] Daraus folgt ein gravierender Verstoß gegen zentrale Verfassungsprinzipien.

In seiner Rsp zum allgemeinen Gleichheitssatz betont der EuGH die Pflicht der verantwortlichen Akteure, vergleichbare Sachverhalte gleich und unterschiedliche Sachverhalte ungleich zu regeln.[15] Die Konkretisierung dieses Grundrechts hängt daher vom jeweiligen Regelungszusammenhang und von verschiedenen Wertungen ab, die von den verantwortlichen Akteuren getroffen werden (müssen).

Der EuGH versteht den in Art 20 GRC verankerten Gleichheitssatz daher konsequent als bereichsübergreifendes „allgemeines Willkürverbot“. Ihm kommt „Querschnittscharakter“ zu, das in verschiedenen Bereichen des Unionsrecht maßgeblich ist. Der Anwendungsbereich des Willkürverbots ist daher nicht auf bestimmte Regelungsbereiche, Lebenssachverhalte oder auf Maßnahmen, die an bestimmte Merkmale anknüpfen, beschränkt.[16] Es bietet daher in umfassender Weise Schutz gegen die von ihm erfassten Beeinträchtigungen.[17]

Nun ist nicht zu übersehen, dass die praktische Bedeutung des allgemeinen Willkürverbots, wie es Art 20 GRC entnommen wird, für sich allein gering ist. Einerseits verknüpft die Rsp des EuGH bei der Prüfung von Maßnahmen Art 20 GRC mit anderen speziellen Gleichheitsrechten, etwa dem Diskriminierungsverbot gem Art 21 GRC.[18] Der Gerichtshof prüft die bei ihm anhängigen Fälle dh idR unter paralleler Anwendung verschiedener Grundrechte.[19] Andererseits vertritt die Lehre, dass die spezifischen Gleichheitsrechte, die im Unionsrecht verankert sind, dem allgemeinen Willkürverbot vorgehen.[20]

D. Abgrenzung

Will man daher den Anwendungsbereich des Art 20 GRC herausarbeiten, gilt es, dieses Grundrecht von den spezielleren Gleichheitsrechten des Unionsrechts abzugrenzen. Hier ist insb auf die Art 18 und 19 AEUV iVm Art 21 GRC hinzuweisen, die spezifische Diskriminierungsverbote statuieren. Art 23 GRC wiederum verpflichtet Arbeitgeber, Männer und Frauen gleiches Entgelt zu bezahlen (vgl auch Art 157 AEUV).

Davon sind wieder die Grundsätze bzw Zielbestimmungen der Art 22 (Vielfalt der Kulturen, Religionen und Sprachen), 24 (Kinderrechte), 25 (Ältere Menschen) und 26 GRC (Integration von Menschen mit Behinderung) zu unterscheiden, die per se keine Grundrechte nach Art des Art 20 GRC statuieren.

Art 20 GRC gelangt daher in jenen Fallkonstellationen zur Anwendung, in denen der Anwendungsbereich der zuvor genannten spezifischen Gleichheitsrechte (soweit ihnen Grundrechtscharakter zukommt) nicht oder nicht eindeutig eröffnet ist.

Schließlich ist Art 20 GRC von den in der EMRK und ihren ZP enthaltenen speziellen bereichsspezifischen Diskriminierungsverboten (Art 14 EMRK und Art 1 des 12. ZP EMRK) abzugrenzen. Sie sind ausweislich der Erläuterungen zur GRC nicht zur Auslegung des Art 20 GRC heranzuziehen (Art 6 Abs 1 GRC).

II. Berechtigte

Art 20 GRC ist offen formuliert. Anders als nationale Gleichheitsverbürgungen schützt Art 20 GRC unterschiedslos „alle Personen“.[21] Der persönliche Schutzbereich des Art 20 GRC ist nicht als „Unionsbürgerrecht“ konzipiert. Er erfasst alle natürlichen Personen (daher auch Drittstaatsangehörige) unabhängig von Wohnsitz, Alter oder Geschlecht.

Darüber hinaus erfasst Art 20 GRC auch juristische Personen. Jedenfalls juristische Personen des Privatrechts sind nach der Rsp Grundrechtsträger.[22] Bei der Auslegung kann ua auf den in Art 54 AEUV enthaltenen neutralen Gesellschaftsbegriff zurückgegriffen werden, wobei es im Anwendungsbereich des Art 20 GRC gerade nicht auf einen Erwerbszweck der betroffenen juristischen Person – iS eines Abgrenzungskriteriums – ankommt. Außerdem ist nicht gefordert (anders als in Art 54 AEUV), dass die juristische Person nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats gegründet und in der Union ihren satzungsmäßigen Sitz oder ihre Hauptverwaltung haben muss. Auch Drittstaatsgesellschaften sind grds von Art 20 GRC geschützt, soweit sich das Verhalten eines Grundrechtsverpflichteten (unten III.) auf sie bezieht.

Juristische Personen des öffentlichen Rechts (zB Gemeinden, Universitäten) sind nach der Lehre nur insoweit grundrechtsbegünstigt, als sie selbst als Träger von Privatrechten wirtschaftlich tätig sind oder ihnen gewährte subjektive Rechte (zB Prozessrechte) geltend machen. Soweit sich daher die Tätigkeit eines Unionsorgans oder einer nationalen Behörde auf diese Entitäten erstreckt, ist davon auszugehen, dass auch juristische Personen des öffentlichen Rechts in den Genuss der Schutzwirkung des allgemeinen Willkürverbots kommen.[23] Anderes gilt selbstverständlich, wenn juristische Personen des öffentlichen Rechts öffentliche Aufgaben mittels Instrumenten der Hoheitsverwaltung vollziehen.

III. Verpflichtete

Aus Art 51 Abs 1 GRC ergibt sich, dass sowohl die Organe der Union als auch jene der Mitgliedstaaten den Gleichheitssatz und damit das allgemeine Willkürverbot zu beachten haben.

Allerdings ist diese Bindung der Sache nach wie folgt begrenzt:

Für Organe und Stellen der Union gilt Art 20 GRC bei der Rechtsetzung und der Vollziehung von Unionsrecht; das setzt voraus, dass der Anwendungsbereich des Unionsrechts eröffnet ist.[24]

Für die Organe der Mitgliedstaaten gilt der Gleichheitssatz bei der Durchführung von Unionsrecht, dh ebenfalls nur dann, wenn der Anwendungsbereich des Unionsrechts eröffnet ist. Legislative, Exekutive und Rechtsprechung sind daher verpflichtet, das allgemeine Willkürverbot zu beachten. Mit Durchführung des Unionsrechts ist die Umsetzung des Unionsrechts, etwa in Form der Erlassung von nationalem Recht in Ausführung von Richtlinien, die Auslegung des Unionsrechts durch nationale Behörden und die Anwendung unmittelbar anwendbaren Unionsrechts, etwa durch die Gerichtsbarkeit gemeint.[25] Der Begriff Durchführung ist nach der Rsp des EuGH weit auszulegen.[26]

Die Vollziehung (sowohl auf EU- als auch auf nationaler Ebene) ist nach der stRsp des EuGH verpflichtet, nicht ohne triftigen Grund von einer bislang geübten (rechtmäßigen) Vollziehungspraxis abzuweichen.[27]

Für andere Organe als jene der Union und jene der EU-Mitgliedstaaten, zB die EFTA-Überwachungsbehörde oder die Organe der drei EWR-Mitgliedstaaten, ist Art 20 GRC nicht von unmittelbarer Relevanz (Art 51 GRC). Hier entfaltet Art 20 GRC allenfalls „Ausstrahlungswirkung“ und kann im Wege der Auslegung Bedeutung erlangen.[28]

Art 20 GRC erfasst nur jene Maßnahmen, die im Kompetenzbereich ein und desselben Hoheitsträgers gesetzt werden. Art 20 GRC bezieht sich daher nur auf solche (Un-) Gleichbehandlungen, die durch das Verhalten desselben Hoheitsträgers resultieren. Eine unterschiedliche Behandlung eines Sachverhalts durch differente Akteure in verschiedenen Mitgliedstaaten,[29] zB die jeweils getrennte Untersuchung eines grenzüberschreitenden Sachverhalts, unterfällt nur in Bezug auf das jeweilige einzelne nationale Ermittlungsverfahren dem Art 20 GRC,[30] nicht aber der rechtliche Gesamtkomplex an sich.

Ob und inwieweit Art 20 GRC (un)mittelbare Drittwirkung inter privatos zukommt, ist hier nicht zu vertiefen.[31]

IV. Beschränkung – Prüfschema

Ähnlich der systematischen Vorgehensweise der nationalen Höchstgerichte nimmt auch der EuGH in seiner Rsp eine gestufte Prüfung von Fallkonstellationen vor, die in den Anwendungsbereich des Art 20 GRC fallen.[32] Dabei ist der EuGH in seiner Prüfabfolge nicht immer stringent; einmal prüft er eine Maßnahme bloß oberflächlich, zT geht die Prüfung ins Detail (vgl noch unten VI.). Bei systematischer Auswertung der Rechtsprechung zeigt sich grob folgendes Bild:

A. Vergleichsprüfung

Auf erster Ebene nimmt der EuGH eine Vergleichsprüfung vor. Der Gerichtshof prüft zunächst, ob eine sog „Vergleichsgruppe“ vorliegt. Angesprochen sind Konstellationen, in denen Sachverhaltsmerkmale,[33] Produkte[34] oder Personen[35] bestimmte als wesentlich beurteilte Gemeinsamkeiten oder Unterschiede aufweisen.[36] Daran anknüpfend analysiert der EuGH, ob im Einzelfall überhaupt eine Ungleichbehandlung von Gleichem bzw eine Gleichbehandlung von Ungleichem vorliegt, und diese Vergleichsgruppen durch eine unionale oder staatliche Maßnahme unterschiedlich oder gleich behandelt wird.[37]

Im Anschluss ist im Wesentlichen zu analysieren, durch welche Maßnahme Vergleichsgruppen gleich oder unbehandelt werden,[38] obwohl sich die Vergleichsgruppen (nicht) durch wesentliche[39] Umstände voneinander unterscheiden.[40] Inzident ist idZ sicherzustellen, dass die zur Beurteilung gelangenden Differenzierungsmerkmale dem Anwendungsbereich des Art 20 GRC unterfallen. Bspw wäre eine Ungleichbehandlung von Personen ausschließlich aufgrund personenbezogener Merkmale (zB ihrer Staatsangehörigkeit) anhand des Art 21 GRC, nicht aber am Maßstab des Art 20 GRC zu beurteilen, der im Anlassfall verdrängt würde.[41]

Die konkrete Abgrenzung der Vergleichsgruppen bzw die Zuordnung einer bestimmten Person oder eines konkreten Sachverhalts zu der einen oder anderen Gruppe ist stark einzelfallbezogen und hängt letztlich von den getroffenen Wertungen des Anlassfalles samt Begründung ab.[42]

B. Rechtfertigung

Im zweiten Schritt ist der Frage der Rechtfertigung einer im Ergebnis (nicht) differenzierenden Maßnahme nachzugehen. Diese Prüfung erfolgt auf drei Teilebenen.[43]

Die Frage der Rechtfertigung unionaler bzw staatlicher Maßnahmen im Anwendungsbereich des Art 20 GRC hat, mangels abweichender Anordnung in der Charta selbst,[44] anhand der systematischen Vorgaben der allgemeinen Schrankenregelung des Art 52 Abs 1 GRC zu erfolgen.[45]

1. Gesetzliche Grundlage

Dem folgend sind Maßnahmen der Legislative und der Vollziehung im Anwendungsbereich des Unionsrechts, die nach Durchführung der Vergleichbarkeitsprüfung rechtfertigungsbedürftig erscheinen, nur dann legitimier- und mit Art 20 GRC vereinbar, wenn sie gesetzlich vorgesehen sind.[46]

2. (Zumindest ein) gewichtiger Rechtfertigungsgrund

Der EuGH verlangt in Übereinstimmung mit Art 52 Abs 1 GRC, dass für die Rechtfertigung einer (Un)gleichbehandlung vergleichbarer Sachverhalte zumindest ein „objektiver Grund“ vorliegt, der „von einigem Gewicht“ ist.[47] Dem entspricht, wenn der Gerichtshof „sachliche“ oder „triftige“ Gründe[48] verlangt, damit eine (Un)gleichbehandlung legitimiert werden kann.[49]

Der EuGH beschränkt sich, wie auch andere nationale Verfassungsgerichte im Rahmen der Willkürprüfung, auf eine Vertretbarkeitskontrolle (s unten VI.).[50] Der Kreis jener Gründe, die eine Maßnahme rechtfertigen können, ist vielfältig. Im Ergebnis genügt es, wenn der Urheber der Maßnahme ein „berechtigtes Ziel“ (zB iS eines öffentlichen Interesses, etwa Aspekte der Verwaltungsökonomie) verfolgt,[51] oder, wenn der Urheber ein dem Gemeinwohl dienendes Ziel iSd Art 52 Abs 1 GRC[52] verfolgt. Der EuGH anerkannt auch, wenn Maßnahmen dem Schutz der Rechte anderer dienen.[53]

3. Adäquanz

Art 52 Abs 1 GRC verlangt explizit, dass jede Einschränkung der Ausübung der in der Charta anerkannten Rechte und Freiheiten – daher auch des allgemeinen Willkürverbots gem Art 20 GRC – gesetzlich vorgesehen sein muss und den Wesensgehalt dieser Rechte und Freiheiten achtet. Unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit dürfen Einschränkungen nur vorgenommen werden, wenn sie erforderlich sind und den von der Union anerkannten dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzungen oder den Erfordernissen des Schutzes der Rechte und Freiheiten anderer tatsächlich entsprechen.

Schon aus Wortlaut und Systematik des Art 52 Abs 1 GRC ergibt sich unzweideutig, dass auch im Rahmen einer Prüfung anhand des Gleichheitssatzes eine Verhältnismäßigkeitsprüfung durchzuführen ist.

In seiner Grundsatzentscheidung Arcelor formulierte der EuGH dementsprechend, dass eine unterschiedliche Behandlung gerechtfertigt ist, „wenn sie auf einem objektiven und angemessenen Kriterium beruht, d.h., wenn sie in Zusammenhang mit einem rechtlich zulässigen Ziel steht, das mit der in Rede stehenden Regelung verfolgt wird, und wenn diese unterschiedliche Behandlung in angemessenem Verhältnis zu dem mit der betreffenden Behandlung verfolgten Ziel steht.“[54] Vergleichbare Formulierungen finden sich nachfolgend wiederholt in der einschlägigen Rechtsprechung.

Der Gerichtshof verlangt daher nicht nur, dass eine (nicht) differenzierende Maßnahme durch einen Rechtfertigungsgrund ausreichend legitimiert werden kann. Er fordert daher auch, dass zwischen dem Ziel der (Nicht)Differenzierung und der zwecks Zielerreichung getroffenen Maßnahme ein angemessenes Verhältnis besteht.[55]

Die Intensität der Adäquanzprüfung ist weniger von der Schwere der Beeinträchtigung der Rechtsstellung eines Grundrechtsträgers im Einzelfall abhängig, sondern vielmehr davon, welcher konkrete Regelungsbereich von einer Maßnahme betroffen ist, welche (Rechtfertigungs-)Gründe der Urheber der Maßnahme im Einzelfall geltend macht und letztlich, ob es sich um eine legislative oder administrative Maßnahme handelt.[56]

4. Exkurs: Erfordernis einer Benachteiligung durch (Un-)Gleichbehandlung?

Zuweilen formuliert der EuGH in seiner Rsp als scheinbar weitere Voraussetzung, dass eine in Frage stehende (Un)gleichbehandlung zu einer Benachteiligung eines Betroffenen führen muss.[57] Beispielsweise wird einer Vergleichsgruppe eine höhere wirtschaftliche Belastung auferlegt als einer anderen. Offen ist, wie diese benachteiligenden Auswirkungen gestaltet, von welchem Gewicht die Ungleichbehandlungen für die Betroffenen sein müssen udgl. Zu bedenken ist schließlich, dass es Maßnahmen gibt, die zu keinen wirtschaftlichen Folgen führen, sondern andere materielle Auswirkungen nach sich ziehen. Im Ergebnis wird davon auszugehen sein, dass es sich bei diesem Kriterium nur um ein spezifisches Detail im Rahmen des ersten Prüfschrittes handelt, das der Gerichtshof betonen wollte, nicht aber um eine separate Voraussetzung im Rahmen der Gleichheitsprüfung.[58]

V. Folgen eines Verstoßes

Verstößt eine Maßnahme gegen den Gleichheitssatz, hängen die möglichen Konsequenzen vom jeweils anwendbaren Verfassungs- bzw Prozessrecht ab und welches Gericht für die Prüfung der Maßnahme zuständig war. Außerdem ist danach zu unterscheiden, ob es sich bei der als rechtswidrig erkannten Maßnahme um eine solche des Unionsrechts oder des nationalen Rechts sowie um eine solche der Legislative oder eine der Vollziehung handelt.[59] Verallgemeinernde bzw zusammenfassende Hinweise können hier aus Platzgründen nicht getroffen werden.

Näherungsweise werden rechtswidrige Maßnahmen, die gegen das allgemeine Willkürverbot verstoßen und bei denen das Gericht – wie etwa der EuGH im Fall eines Vertragsverletzungsverfahrens – nicht auf eine Feststellung der Rechtswidrigkeit beschränkt ist, aufzuheben und „anzupassen“ sein. Ein Gesetz kann (unter Fristsetzung) zu novellieren sein; ein Bescheid einer Verwaltungsbehörde ist zu adaptieren. Ein gerichtliches Verfahren ist zu ergänzen etc. Im Ergebnis hat das zuständige Organ zu gewährleisten, dass die betroffene Vergleichsgruppe im Einzelfall so gestellt (und bspw eine rechtswidrige Ungleichbehandlung beseitigt) wird, wie es nach dem Gleichheitssatz geboten ist.

VI. Willkür- und Vertretbarkeitskontrolle in einzelnen Politikbereichen

Der Unionsgerichte führen in verschiedenen Politikbereichen bzw wirtschaftlichen Zusammenhängen – nicht immer ausdrücklich am Maßstab des Art 20 GRC – eine auf Vertretbarkeitsaspekte fokussierte Kontrolle des Verhaltens der Unionsorgane durch. Dies soll anhand folgender Beispiele verdeutlicht werden.

A. Nichtigkeitsklage gem Art 263 AEUV

Im Rahmen der Nichtigkeitsklage kann der EuGH legislative wie auch administrative Maßnahmen der Unionsorgane nachprüfen. Die von den Unionsgerichten durchzuführende Kontrolle zielt darauf ab, die Entscheidungspraxis und die Ermessenshandhabung durch die Unionsorgane nachzuprüfen.

Der Begriff Ermessen ist idZ umfassend zu verstehen und umfasst sowohl Fälle eines Tatbestands- als auch eines Rechtsfolgeermessen.[60] Gem Art 261 und 263 AEUV greift der EuGH explizit nur Fälle eines Ermessensmissbrauchs auf.[61] Letztlich ist die Kontrolle des EuGH beschränkt; der Gestaltungsspielraum der Unionsorgane ist weit und regelmäßig nur durch das allgemeine Willkürverbot bzw den Verhältnismässigkeitsgrundsatz bzw das allgemeine Willkürverbot limitiert.[62]

Bedeutend sind in der Praxis vor allem administrative Massnahmen der Unionsverwaltung. Beurteilungserheblich ist idZ, ob das Unionsrecht dem zuständigen Organ einen administrativen Gestaltungs- oder Entscheidungsspielraum einräumt. Dies kann explizit in der Norm vorgegeben sein[63] oder sich implizit aus der Normstruktur und der entsprechenden Regelungsmaterie ergeben.[64]

B. Ausgewählte Politikbereiche

Insbesondere die Entscheidungen des EuGH zur Fusionskontrolle, dem EU-Beihilfenrecht und dem Finanzmarktrecht lassen deutlich erkennen, dass der Gerichtshof im Bereich des EU-Wirtschaftsrechts Entscheidungen der Unionsverwaltung nachprüft und die zuvor skizzierte grundrechtliche Adäquanzkontrolle durchführt.

1. Fusionskontrolle

Bedeutsam sind drei Entscheidungen des EuG aus dem Jahr 2002: Airtours,[65] Schneider Electric[66] und Tetra Laval.[67] Das EuG hob alle drei von der Kommission verhängte Fusionsverbote auf. Einleitend betonte das EuG, dass der Kommission ein weites Ermessen bei der Beurteilung von Sachverhaltskonstellationen, die in den Anwendungsbereich des Art 2 FusionskontrollVO fallen.

Die anschliessende Analyse der Kommissionsentscheidungen durch das EuG zeigt eindrücklich, dass das Gericht darum bemüht ist, die Erwägungen der Kommission nachzuvollziehen und zu plausibilisieren, etwa, wenn das Fehlen von Feststellungen zu den (negativen) Auswirkungen auf den relevanten Markt moniert wird, eine fehlende Prüfung zu potentiell rechtswidrigen Verhaltensweisen eines Konglomerats bemängelt wird und schliesslich Annahmen zur zukünftigen beherrschenden Stellung eines Konglomerats schlicht nicht plausibel seien.

Das EuG kritisiert daher wiederholt Feststellungsfehler der Kommission und schliesst damit, dass der Kommission offensichtliche Beurteilungsfehler in der Sachverhaltssubsumtion unterlaufen sind. Die Entscheidungen der Kommission wurden jeweils für nichtig erklärt.[68]

Der EuGH bestätigte die Entscheidung des EuG im Ergebnis, geht aber bei seiner Kontrolle methodisch anders vor.[69] Der EuGH hielt im Ergebnis fest, dass der Kommission im Rahmen der Fusionskontrolle ein weites Ermessen bei der Beurteilung komplexer wirtschaftlicher Sachverhalte zukomme. Die Rolle des nachprüfenden Gerichts sieht der EuGH auf eine Vertretbarkeitskontrolle reduziert. Das Gericht hat den Verfahrensablauf, die Entscheidung der Kommission (also Sachverhaltsermittlung und rechtliche Beurteilung, also etwa Feststellungen zu relevanten Märkten oder Marktanteilen der fusionierenden Unternehmen) gesamthaft, nicht aber im Detail nachzuprüfen. Die Unionsgerichte haben nach dem EuGH „nur“ eine Plausibilitätsprüfung vorzunehmen.[70]

2. Beihilfenrecht

Ein ähnliches Bild zeigt sich in der Judikatur der europäischen Gerichte zum Beihilfenrecht. Dies soll anhand zweier Entscheidungen verdeutlicht werden.

i) In seiner Entscheidung Westdeutsche Landesbank sprach das EuG hinsichtlich des von der Kommission gem Art 107 AEUV durchzuführenden „Private-Investor-Test“[71] aus: „[D]ie von der Kommission vorzunehmende Prüfung der Frage, ob eine Investition dem Kriterium des marktwirtschaftlich handelnden Kapitalgebers genügt, [umfasst] eine komplexe wirtschaftliche Beurteilung [...]. Die Kommission besitzt jedoch ein weites Ermessen, wenn sie eine Handlung vornimmt, die eine derart komplexe wirtschaftliche Beurteilung umfasst, und die gerichtliche Kontrolle dieser Handlung beschränkt sich – selbst wenn die Frage, ob eine Massnahme in den Anwendungsbereich von [Art 107 Abs 1 AEUV] fällt, grundsätzlich umfassend zu prüfen ist – darauf, ob die Vorschriften über das Verfahren und die Begründung eingehalten worden sind, ob der Sachverhalt, der der beanstandeten Entscheidung zu Grunde gelegt wurde, zutreffend festgestellt worden ist und ob keine offensichtlich fehlerhafte Würdigung dieses Sachverhalts oder ein Ermessensmissbrauch vorliegt. Insbesondere darf das Gericht die wirtschaftliche Beurteilung des Urhebers der Entscheidung nicht durch seine eigene Beurteilung ersetzen».[72]

ii) Ähnlich hielt der EuGH in der Rs Kommission/Scott fest: „Der Unionsrichter darf jedoch im Rahmen dieser Kontrolle nicht die wirtschaftliche Beurteilung seitens der Kommission durch seine eigene ersetzen [...]. Die Kontrolle, die die Unionsgerichte in Bezug auf die Würdigung komplexer wirtschaftlicher Gegebenheiten durch die Kommission ausüben, ist nämlich eine beschränkte Kontrolle, in deren Rahmen nur geprüft werden darf, ob die Vorschriften über das Verfahren und die Begründung eingehalten wurden, ob der Sachverhalt zutreffend festgestellt wurde und ob kein offensichtlicher Beurteilungsfehler oder Ermessensmissbrauch vorliegt“.[73]

Die beiden Entscheidungen bestätigten erstens die um Plausibilisierung bemühte Nachkontrolle der Kommissionsentscheidungen durch die europäischen Gerichte. Nicht schon Beurteilungsfehler der Exekutive führen zur Nichtigerklärung, sondern erst jenes des Ermessensmissbrauchs.

3. Finanzmarktaufsicht

Mittlerweile hat der EuGH seine im Fusionskontroll- und im Beihilfenkontrollrecht entwickelte Spruchpraxis auf einen noch „jungen“ wirtschaftlichen Regulierungssektor übertragen, nämlich jenen des Einheitlichen Aufsichtsmechanismus „SSM“ nach der SSM-VO.[74]

Hier prüft der Gerichtshof etwa die Entscheidung der EZB als zuständige Aufsichtsbehörde nach, ein CRR-Kreditinstitut als signifikant einzustufen mit der Konsequenz, dass dieses Institut unter die Rechtsaufsicht der EZB fällt.

Gleichsam „wiederholend“ erinnert der EuGH daran: „Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass der streitige Beschluss ein Rechtsakt bezüglich der Aufsicht über ein Kreditinstitut ist, der von der EZB erlassen wurde, die hierbei über ein weites Ermessen verfügt, da [...] die Übertragung von Aufsichtsaufgaben mit einer erheblichen Verantwortung der EZB für den Schutz der Finanzmarktstabilität in der Union und mit der Verpflichtung einhergeht, die Aufsichtsbefugnisse auf möglichst wirksame und verhältnismässige Weise auszuüben».[75] Auch in diesem Politikbereich akzeptiert der EuGH das weite Ermessen der EZB als Aufsichtsbehörde und beschränkt sich bei seiner nachprüfenden Kontrolle auf Plausibilitätsaspekte.

4. Währungspolitik

Kein anderes Bild zeigt sich, wenn der EuGH währungspolitische Entscheidungen der EZB, etwa in der Rs Gauweiler nachprüft. Die Genehmigung des EZB-Rates hinsichtlich des sog OMT (Outright-Monetary-Transactions)-Programm, welche die EZB zum Ankauf von Staatsanleihen berechtigte, war rezent vom EuGH dahingehend zu kontrollieren, ob die Entscheidung der EZB mit ihren währungspolitischen Vorgaben übereinstimmte.

Wenig verwunderlich hielt der EuGH fest, dass der EZB ein weites Ermessen zukomme, da sie für die angestrebten Handlungen Entscheidungen technischer Natur zu treffen sowie komplexe Prognosen und Beurteilen vorzunehmen habe. „In Anbetracht der dem Gerichtshof im vorliegenden Verfahren unterbreiteten Informationen ist nicht ersichtlich, dass diese Analyse der Wirtschaftslage des Euro-Währungsgebiets, die zum Zeitpunkt der Ankündigung des in den Ausgangsverfahren fraglichen Programms gegeben war, mit einem offensichtlichen Beurteilungsfehler behaftet wäre. Insoweit kann der vom vorlegenden Gericht angeführte Umstand, dass gegen diese mit einer Begründung versehene Analyse Einwände erhoben wurden, als solcher nicht genügen, um diese Beurteilung in Frage zu stellen, da vom ESZB mit Rücksicht darauf, dass geldpolitische Fragen gewöhnlich umstritten sind und es über ein weites Ermessen verfügt, nicht mehr als der Einsatz seines wirtschaftlichen Sachverstands und der ihm zur Verfügung stehenden notwendigen technischen Mittel verlangt werden kann, um diese Analyse mit aller Sorgfalt und Genauigkeit durchzuführen“.[76]

VII. Resümee

Das allgemeine Willkürverbot ist im Unionsrecht seit langem als allgemeiner Rechtsgrundsatz anerkannt und auch in der GRC in allgemeiner Form positivrechtlich normiert. Neben dem allgemeinen Gleichheitssatz finden sich im Unionsrecht zahlreiche spezielle Gleichheitsverbürgungen, anhand derer der EuGH seine Rechtsprechung zum allgemeinen Gleichheitssatz entwickelt hat.

Auch der EuGH entnimmt dem Gleichheitssatz, dass gleiche Sachverhalte nicht ohne sachlichen Grund ungleich und ungleiche Sachverhalte nicht gleich behandelt werden dürfen. Dabei gesteht er den zuständigen Organen der Union regelmäßig einen weiten Beurteilungsspielraum hinsichtlich der Bestimmung sachlicher Gründe für differenzierende Regelungen zu. Allerdings variiert er die Strenge seiner Gleichheitsprüfung in Abhängigkeit von dem betroffenen Sachbereich. Soweit EU-Regelungen im Zusammenhang mit Sachverhalten wirtschaftlicher Betätigung stehen, beschränkt sich der Gerichtshof auf eine Plausibilitätsprüfung dahingehend, dass ein sachlicher Grund für die Ungleichbehandlung besteht. Dies hängt wohl mit der ursprünglich wirtschaftsorientierten Aufgabenstellung der EU, der Schaffung und Gestaltung freier und gemeinsamer Märkte, zusammen.

Bei der Prüfung von Maßnahmen am Maßstab des Art 20 GRC sind nun mehr Elemente des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zur Anwendung zu bringen, wobei nicht übersehen werden darf, dass sich der EuGH bei seiner Gleichheitsprüfung weiterhin stark an den Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles unter Berücksichtigung der Eigenheiten des zu regelnden Sachbereiches orientiert.

Auch wenn die Rechtsprechung bis heute nicht immer konsistent wirkt und in der Gleichheitsjudikatur des EuGH zT terminologisch-systematische Schwankungen nicht zu verkennen sind, ist am Ende des Beitrages, mit Blick auf die Gesamtuntersuchung, deutlich festhalten, dass auch im Unionsrecht eine effektive Willkür- und Vertretbarkeitskontrolle staatlichen Verhaltens am Maßstab des Gleichheitssatzes bzw des aus ihm ableitbaren allgemeinen Willkürverbots stattfindet.

 


[1] Vgl dazu den facheinschlägigen Beitrag in diesem Band.

[2] EuGH 19. 10. 1977, C-117/76 und 16/77, Ruckdeschel Rz 7; 19. 10. 1977, C-124/76 und 20/77, Moulins Rz 14. Der EuGH sah in seiner früheren Rsp die verschiedenen besonderen Diskriminierungsverbote der EU-Verträge als spezifischen Ausdruck eines allgemeinen Gleichheitsgrundsatzes (zB EuGH 5. 10. 1994, C-280/93, Deutschland/Rat, Rz 67; Zuleeg, Betrachtungen zum Gleichheitssatz im Europäischen Gemeinschaftsrecht, FS Börner 1992, 473 [475 f]).

[3] Vgl zB EuGH 6. 4. 1962, C-17 und 21/61, Klöckner-Werke AG; 15. 7. 1982, Rs 245/81, Edeka Rz 20. Später etwa EuGH 7. 9. 2006, C-81/05, Alonso Rz 37.

[4] Statt vieler Köchle/Pavlidis in Holoubek/Lienbacher (Hrsg), GRC-Kommentar2 Art 20 Rz 5 (Stand 1. 4. 2019, rdb.at).

[5] CHARTE 4473/00 CONVENT 49 vom 11. 10. 2000. Die verbindlichen Erläuterungen zur GRC finden sich ua in ABl (EU) 2007 C 303, 17.

[6] EuGH 17. 4. 1997, C-15/95, EARL; 13. 11. 1984, C-283/83, Racke; EuGH 13. 4. 2000, C-292/97, Karlsson.

[7] Zur Entstehungsgeschichte des Art 20 Lemke, Art 20 GRC Rz 1 ff in von der Groeben/Schwarze/Hatje (Hrsg), Europäisches Unionsrecht7 (2015); Köchle/Pavlidis, Art 20 GRC Rz 1 ff.

[8] Köchle/Pavlidis, Art 20 GRC Rz 14.

[9] Jarass, Charta der Grundrechte der Europäischen Union3 (2016) Art 20 GRC Rz 12; Köchle/Pavlidis, Art 20 GRC Rz 30; EuGH 29. 4. 2015, C-528/13, Léger Rz 51 ff.

[10] Dh nach Massgabe des darin betonten Gesetzesvorbehaltes sowie den Bedingungen der Erforderlichkeit und Adäquanz.

[11] Details noch unten im Text bzw in den relevanten Fachbeiträgen in diesem Band.

[12] Vgl zB Jarass, Art 20 GRC Rz 12.

[13] Vgl dazu die weiterführenden Untersuchungen in diesem Band.

[14] Zum Prüfmassstab noch unten im Text.

[15] Vgl zB EuGH 3. 5. 2007, C-303/05, Advocaten voor de Wereld Rz 46; 16. 9. 2010, C-149/10, Chatzi Rz 63; EuGH 26. 10. 2006, C-248/04, Cosun ua Rz 72.

[16] Jarass, Art 20 GRC Rz 6; Heselhaus, Art 20 GRC Rz 17 in Pechstein/Nowak/Häde (Hrsg), EUV/GRC/AEUV (2017) Rz 17.

[17] Köchle/Pavlidis, Art 20 GRC Rz 20.

[18] Vgl etwa EuGH 9. 3. 2017, C‑406/15, Milkova Rz 55.

[19] Diese Entwicklung lässt sich auch in anderen Bereichen nachvollziehen, etwa dem Datenschutzrecht. Vgl zB EuGH 8. 4. 2014, C-293/12 ua, Digital Rights Ireland; 9. 11. 2010, C-92/09 ua, Schecke.

[20] Jarass, Art 20 GRC Rz 5; Rossi, Art 20 Rz 3 in Calliess/Ruffert (Hrsg), EUV/AEUV5 (2016); Lemke, Art 20 GRC Rz 6.

[21] Vgl Köchle/Pavlidis, Art 20 GRC Rz 16 ff.

[22] EuGH 13. 7. 1962, C-17 und 21/61, Klöckner-Werke AG. So auch die Lehre: Heselhaus, Art 20 GRC Rz 31; Rossi, Art 20 GRC Rz 5.

[23] Dafür allgemein Köchle/Pavlidis, Art 20 GRC Rz 16; aA Jarass, Art 20 GRC Rz 19.

[24] Näher Jarass, Art 20 GRC Rz 3; Rossi, Art 20 GRC Rz 7 ff.

[25] Allgemein Köchle/Pavlidis, Art 20 GRC Rz 14.

[26] EuGH 6. 3. 2014, C-206/13, Siragusa.

[27] Vgl zB EuGH 16. 11. 2000, C-291/98 P, Sarrió SA Rz 98.

[28] Weiterführend N. Raschauer/Sild, Liechtenstein, die EU-Grundrechtecharta und das EWR-Abkommen, JRP 2020, 242 ff.

[29] Dem gleichzuhalten ist, wenn ein Sachverhalt sowohl von einem EU-Organ als auch einem nationalen Organ nach unterschiedlichen Gesichtspunkten aufgrund unterschiedlicher Rechtsvorschriften verfolgt wird.

[30] Heselhaus, Art 20 GRC Rz 20; Rossi, Art 20 GRC Rz 14.

[31] Weiterführend Köchle/Pavlidis, Art 20 GRC Rz 15.

[32] Eingehend Köchle/Pavlidis, Art 20 Rz 20 ff; Heselhaus, Art 20 GRC Rz 18 ff.

[33] Vgl zB EuGH 19. 10. 1977, C-117/76 und 16/77, Ruckdeschel Rz 8; 19. 10. 1977, C-124/76 und C-20/77, ONIC Rz 18; 7. 9. 2006, C-81/05, Cordero Alonso Rz 37.

[34] Siehe zB EuGH 5. 12. 1979, C-124/77, Moulins.

[35] Vgl etwa EuGH 8. 6. 2004, C-220/02, Österreichischer Gewerkschaftsbund.

[36] Köchle/Pavlidis, Art 20 GRC Rz 23.

[37] Der EuGH klärt, ob zumindest zwei Gruppen von Personen oder Sachverhalten vorliegen, die durch die in Frage stehende Massnahme unterschiedlich (oder gleich) behandelt werden. Danach beurteilt er, ob diese unterschiedlich (bzw gleich) behandelten Gruppen vergleichbar sind (bzw sich wesentlich unterscheiden).

[38] So etwa EuGH 16. 12. 2008, C-127/07, Arcelor Rz 25.

[39] EuGH 11. 3. 1987, Rs 27/85, Vandemoortele N.V. Rz 25

[40] Köchle/Pavlidis, Art 20 GRC Rz 23.

[41] Siehe oben I.D.

[42] Vgl die heterogene Rechtsprechungspraxis des EuGH, dargestellt zB bei Jarass, Art 20 GRC Rz 7a.

[43] Vgl wiederum statt aller Köchle/Pavlidis, Art 20 GRC Rz 30 ff.

[44] Art 52 Abs 1 GRC unterscheidet nicht zwischen bestimmten Rechten und ist daher auch auf die Prüfung von Maßnahmen anwendbar, die unter Art 20 GRC subsumierbar sind. Dies ergibt sich auch bei systematischer Auslegung des Art 52 GRC. Art 52 Abs 2 GRC ist nicht auf Art 20 GRC anwendbar, da die Unionsverträge keine spezifischen Bestimmungen enthalten (arg „Bedingungen und Grenzen“), die den allgemeinen Gleichheitssatz konturieren. Art 52 Abs 3 GRC wiederum findet keine Anwendung, weil der allgemeine Gleichheitssatz über kein Pendant in der EMRK samt ZP verfügt.

[45] Jarass, Art 20 GRC Rz 12.

[46] Köchle/Pavlidis, Art 20 Rz 32.

[47] EuG 20. 3. 2001, T-52/99, Port Rz 81 ff; 19. 10. 1977, C-117/76, Ruckdeschel Rz 7 f; 13. 12. 1984, C-129/82 und 274/82, Lux Rz 22; 22. 5. 2003, C-462/99, Connect Austria Rz 115.

[48] Rossi, Art 20 GRC Rz 25.

[49] EuGH 13. 12. 1984, C-129/82, Lux Rz 22.

[50] Der EuGH betont wiederholt den weiten Ermessensspielraum des Gesetzgebers. Vgl zB EuGH 12. 2. 1990, C-267/88 ua, Wuidart Rz 14.

[51] Köchle/Pavlidis, Art 20 GRC Rz 32.

[52] Darauf zB abstellend EuGH 13. 4. 2002, C-282/97, Karlsson Rz 45.

[53] Jarass, Art 20 GRC Rz 13.

[54] EuGH 16. 12. 2008, C-127/07, Arcelor Rz 47. Hervorhebung d Verf.

[55] Köchle/Pavlidis, Art 20 Rz 42 mwH. Sie führen berechtigt aus: „Je gewichtiger die Ungleichbehandlung ist, desto höher sind die Anforderungen an ihre Rechtfertigung.“ Vgl auch EuGH 19. 10. 1977, C-117/76, Ruckdeschel Rz 9.

[56] Jarass, Art 20 GRC Rz 18; Heselhaus, Art 20 GRC Rz 42 f; Köchle/Pavlidis, Art 20 GRC Rz 45.

[57] Siehe zB EuGH 13. 7. 1962, C-17 und 21/61, Klöckner-Werke AG; 22. 5. 2003, C-462/99, Connect Austria Rz 115.

[58] Vgl auch krit Köchle/Pavlidis, Art 20 GRC Rz 28 f.

[59] Ausserdem wird die weitere Konsequenz davon abhängen, ob die relevante Massnahme im Zeitpunkt der Feststellung der Rechtswidrigkeit noch in Geltung stand.

[60] Statt aller Schroeder/Sild, Kontrolldichte im EU-Beihilferecht, EuZW 2014, 12 (13).

[61] Siehe etwa Pache, Die Kontrolldichte in der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften, DVBl 1998, 380 (382).

[62] Schwarze/Wunderlich, Art 19 EUV Rz 42 in Schwarze (Hrsg), EU-Kommentar4 (2019).

[63] Vgl etwa Art 39 MiFIR.

[64] Schroeder/Sild, Kontrolldichte im EU-Beihilferecht, EuZW 2014, 12 (13 f).

[65] EuG 6. 6. 2002, T-342/99, Airtours/Kommission.

[66] EuG 22. 10. 2002, T-310/01, Schneider Electric/Kommission.

[67] EuG 25. 10. 2002, T-5/02, Tetra Laval/Kommission.

[68] Dazu van Vormizeele, Die Kontrolldichte bei der Würdigung komplexer wirtschaftlicher Sachverhalte durch die europäischen Gerichte, in Becker/Hatje/Potacs/Wunderlich (Hrsg), Verfassung und Verwaltung in Europa – FS Schwarze (2014) 771 ff.

[69] EuGH 15. 2. 2005, C-12/03 P, Kommission/Tetra Laval.

[70] Vgl zB Hatje, Kontrolldichte bei Massnahmen der europäischen Wirtschaftsverwaltung, in Schwarze (Hrsg), Verfahren und Rechtsschutz im europäischen Wirtschaftsrecht (2010) 124 (137).

[71] Dieser wird bei der Prüfung, ob eine staatliche Beihilfe vorliegt, angewendet. Die Kommission untersucht, ob ein marktwirtschaftlich handelnder privater Investor in einer vergleichbaren Situation wie der Staat ebenfalls Zuwendungen an das begünstigte Unternehmen getätigt hätte. Wenn dies der Fall ist, liegt keine Begünstigung und damit keine Beihilfe im Sinne des Art 107 Abs 1 AEUV vor (Kleine/Sühnel, in Birnstiel/Bungenberg/Heinrich [Hrsg], Europäisches Beihilfenrecht [2013] 1. Teil Rz 105 ff).

[72] EuG 6. 3. 2003, verb Rs T-288/99 und T-233/99, Westdeutsche Landesbank Rz 282.

[73] EuGH 2. 9. 2010, C-290/07 P, Kommission/Scott Rz 66.

[74] Verordnung (EU) Nr. 1024/2013 des Rates vom 15. Oktober 2013 zur Übertragung besonderer Aufgaben im Zusammenhang mit der Aufsicht über Kreditinstitute auf die Europäische Zentralbank, ABl 2013 L 287/63 (SSM-VO).

[75] EuGH 8. 5. 2019, C-450/17 P, Landeskreditbank Baden-Württemberg Rz 86.

[76] EuGH 16. 6. 2015, C-62/14, Gauweiler ua, Rz 74 f.